Der Name „Thomas Schwenke“ fällt oft dann, wenn es darum geht, rechtliche Zusammenhänge in Bezug auf Social Media und das Internet fundiert zu erklären. Als Anwalt ist Thomas schon viele Jahre auf „Social Media Recht“ spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz verweisen. Eine eigene Kanzlei, ein bekannter Blog, mehrere Fachbücher und ein Podcast gehören zu seinem „Repertoire“ (um nur ein paar Aspekte zu nennen) und als einer der wenigen Personen im deutschsprachigen Internet ist er in meiner Wahrnehmung oft präsent und auch bei ganz frischen Themen wie zum Beispiel Snapchat immer sehr früh am Start: Der perfekte Gast also für meine Interview Reihe „7 Fragen an…“ und ich freue mich sehr, dass Thomas Schwenke für die Antworten zur Verfügung stand:
1. Thomas, du bist vielen als „Social Media Anwalt“ bekannt: Wie genau hat es sich ergeben, dass du dich vornehmlich mit Social Media Recht befasst?
Thomas Schwenke:
Das ergab sich aus dem Umstand, dass zeitglich mit meiner Kanzleigründung vor rund zehn Jahren, das Potenzial von Social Media deutlich wurde. Da ich selbst zuvor im Marketing tätig war und über den praktischen Bezug zur Materie verfügte, wählte ich Social Media als mein Alleinstellungsmerkmal.
Mittlerweile ist Social Media, zumindest im Rahmen meiner Arbeit, kein für sich stehender Begriff mehr. Vielmehr ist Social Media ein fester Teilbereich des Marketings geworden. Wenn ich also zum Beispiel eine Werbekampagne für ein Unternehmen rechtlich prüfe, gehört die Einbindung sozialer Medien fast immer dazu.
2. In deiner täglichen Praxis hast du auch oft mit Abmahnungen von Mandanten zu tun. Welche Gründe für Abmahnungen kommen am häufigsten vor?
Thomas Schwenke:
Die meisten Abmahnungen werden wegen Urheberrechtsverstößen oder fehlenden Verbraucherinformationen, wozu Impressumsfehler gehören, ausgesprochen. In geschätzt 99% aller Fälle liegt der Grund darin, dass die Abgemahnten sich der Fallstricke des Rechts erst gar nicht bewusst waren.
Meine Anwaltstätigkeit umfasst dagegen die Vorabberatung von Unternehmen und Agenturen im Marketingbereich. Ich sorge also dafür, dass meine Mandanten erst gar keine Abmahnungen erhalten. Daher habe ich selbst am häufigsten mit Abmahnungen wegen Wettbewerbs- und Datenschutzverstößen zu tun. Hierzu gehört vor allem die Nutzung fremder Keywords bei AdWords Kampagnen und der Versand unerwünschter E-Mail Werbung.
Das besondere an Abmahnungen im Marketingbereich ist jedoch, dass sie häufig einen kalkulierbaren Risikofaktor darstellen. Im Klartext: Ein progressives und experimentelles Marketing beinhaltet häufig rechtliche Risiken und häufig auch die Inkaufnahme von Abmahnungen. Meine Aufgabe ist dabei die Gefahren maximal zu mindern oder deren wirtschaftlichen Wert einzuschätzen.
Marketing erinnert mich dabei oft an die Formel 1: Die Besten fahren oft am Limit, kennen aber ihre Grenzen.
3. Oft hört man von Gerichtsentscheidungen, die auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar sind und oft auch altmodisch erscheinen. Warum ist für die Rechtsprechung so schwierig, bei der Entwicklung im Internet mitzuhalten?
Thomas Schwenke:
Der Grund ist die Geschwindigkeit des sozialen und technischen Fortschritts. Richter müssen ihre Entscheidungen auf Gesetze oder vorangegangene Rechtsprechung stützen. Aufgrund der rasanten Entwicklung werden Gesetze jedoch häufig, wenn überhaupt, sehr abstrakt gefasst und es fehlt an Präzedenzfällen. Richter müssen daher rechtlich betrachtet oft „unentdecktes Land“ bereisen.
Es ist menschlich, dass derartige Entscheidungen davon abhängen werden, wie die persönliche Einstellung des Richters zu der Materie ist und wie überzeugend die Anwälte argumentieren. Ferner werden solche Entscheidung zudem oft nur für einen konkreten Fall getroffen und könnten schon bei kleinsten Änderungen, zum Beispiel von einzelnen Worten, ganz anders ausfallen. Es passiert auch mir, dass ich häufig das Urteil zuerst für Unrichtig halte, beim genauen Nachlesen der Urteilsgründe mir aber denke: „Ok, in diesem Fall war das richtig!“
Ein Beispiel ist die Linkhaftung, die so für Nichtjuristen kaum nachvollziehbar wird und die Kenntnis der einzelnen Urteile voraussetzt (um den Rahmen des Interviews nicht zu sprengen, verweise ich dabei die entsprechende Folge der Rechtsbelehrung, des Jurapodcasts an dem ich mitwirke). Es gibt aber auch Urteile, bei denen meines Erachtens die politische Ansicht der Gerichte zu weit geht und wie zuletzt in dem Urteil zur Rechtswidrigkeit des Like Buttons als Konsequenz das Internet in seiner gegenwärtigen Form untersagt wird.
4. Du hast auch mehrere Bücher geschrieben. Wie stark war der Impact dieser Bücher auf deine Tätigkeit als Anwalt und was hat es deiner Reputation gebracht?
Thomas Schwenke:
Mein Buch „Social Media Marketing und Recht“ hat mir einen enormen Reputationsschub beschert. Ich denke es gehört weiterhin zu den probatesten Mitteln um sich in einem Fachbereich zu positionieren, ein Buch zu schreiben. Dabei muss es nicht unbedingt ein Printbuch sein. Es kann genauso ein E-Book oder ein Blog als Gesamtwerk sein. Es kommt darauf an zu zeigen, dass man sein Fachwerk überblicken und verständlich vermitteln kann.
5. Zwei Kollegen von dir haben jüngst rechtliche Schritte gegen Mark Zuckerberg wegen Hasskommentaren auf Facebook eingeleitet. Wie beurteilst du Auswirkung und Erfolg dieser Maßnahme?
Thomas Schwenke:
Das ist ein spannender Fall, dessen Entwicklung ich abwarte. Jedoch denke ich, dass in den Strafanträgen eher schätzungswerte politische Stellungnahmen zu sehen sind, als dass sie tatsächlich Erfolg haben werden. Dafür spricht, dass in ähnlichen Fällen die Staatsanwaltschaft bereits keinen hinreichenden Verdacht gegen die Beteiligten sah und insbesondere ein vorsätzliches Handeln verneinte.
6. Du bist selbst auch mit einem eigenen Podcast namens „Rechtsbelehrung“ aktiv. Welchen Risiken gibt es für dich, wenn du öffentlich Tipps zu rechtlichen Fragen gibst?
Thomas Schwenke:
In der Rechtsbelehrung, die ich zusammen mit dem Radiojournalisten Marcus Richter anbiete, sprechend wir generell rechtliche Themen an. Wir betreiben also keine Rechtsberatung im Einzelfall, sondern helfen den Zuhören die Rechtsbereiche zu verstehen, sich eine eigene Ansichten zu bilden oder Wissen zu gewinnen.
Da wir zudem keine Ja/Nein-Antworten geben, sondern die Gedankengänge erläutern, ist auch die Gefahr von Fehlern gering. Denn im Recht kommt es sehr häufig weniger auf das Ergebnis, sondern auf einen argumentativ nachvollziehbaren Weg dorthin, an (an dieser Stelle verweise ich auf die Antwort zur dritten Frage hier im Interview).
7. Deutschland ist bekanntlich ein Land mit hohen Ansprüchen an den Datenschutz. Kann eine Website deiner Ansicht nach überhaupt 100%ig wasserdicht im Sinne des deutschen Datenschutzes sein?
Thomas Schwenke:
Wenn man eine Website am besten selbst hostet, gar keine Daten der Nutzer speichert, keine fremden Inhalte (YouTube Videos, etc.) einbindet und vor allem keine Analyse- und Marketingtools einsetzt, dann ja.
Darüber hinaus wird eine 100%ige Sicherheit schon daran scheitern, dass es oft nicht klar ist, wie die Anforderungen liegen. Viele Punkte sind umstritten und auch bei Aussagen von Datenschutzbeauftragten muss beachtet werden, dass diese nur deren Ansichten und kein Gesetz darstellen (hierbei möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass die meisten mir bekannten Datenschutzbeauftragten sehr pragmatisch denken und es deren Aufgabe ist, eine Balance zu den Begehren der Wirtschaft und des Staates zu schaffen).
Aber auch wenn 100%ige Sicherheit nicht möglich sind, können mit einigen Kniffen 90% erreicht werden, die vor Konsequenzen wie Abmahnungen oder Bußgeldern schützen. Doch je effizienter die Website zu Marketingzwecken eingesetzt werden soll, desto höher wird der rechtliche Aufwand um sie datenschutzrechtlich sicher zu halten. Das ist dann der Punkt, wo ich als Rechtsanwalt angesprochen werde.
Thomas, vielen Dank für das Interview!